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Die geplante Jagdgesetzänderung in Niedersachsen – Gefahr für Tier- und Naturschutz?

Die geplante Reform des Niedersächsischen Jagdgesetzes (NJagdG) wird kontrovers diskutiert. Die Landesregierung will mit der Novelle Tierschutz und Nachhaltigkeit fördern. Die Novelle zielt auf mehr Tierschutz und Nachhaltigkeit – doch die Realität sieht anders aus: Viele der Änderungen könnten genau das Gegenteil bewirken. Sie erschweren die Arbeit der Jäger, die ohnehin ehrenamtlich für den Natur- und Tierschutz tätig sind, und gefährden bewährte Maßnahmen. Warum das so ist und was die Änderungen für uns alle bedeuten, beleuchten wir hier.

Hundeausbildung: Sicherheit für Tier und Mensch

Ein starkes Team!

Moderne Schliefenanlagen erfüllen höchste Tierschutzstandards: Hund und Fuchs kommen nie in direkten Kontakt, da Gitter sie trennen. Das Training bereitet die Hunde gezielt darauf vor, Wild zu lokalisieren, ohne es zu verletzen oder sich selbst in Gefahr zu bringen. Auch die Ausbildung in Schwarzwildgattern ist essenziell, da Schwarzwild wehrhaft und gefährlich ist. Hier wird das Verhalten der Hunde unter kontrollierten Bedingungen geschult und korrigiert.

Gut ausgebildete Hunde sind unverzichtbar – sowohl bei der Jagd als auch in Alltagssituationen wie Wildunfällen. Sie retten verletzte Tiere, finden sie schnell und beenden ihr Leiden tierschutzgerecht. Doch die geplante Einschränkung der Hundeausbildung, etwa in Schliefenanlagen oder bei der Wasserarbeit mit Enten, gefährdet diese wichtige Arbeit und könnte langfristig zu mehr Tierleid führen.

Alternativen wie Dummys werden oft als Ersatz vorgeschlagen, sind aber bislang nicht ausgereift. Sie können realistische Situationen nicht vollständig simulieren. Ohne praxisnah ausgebildete Hunde drohen Fehler und Risiken – sowohl für das Wild als auch für die Hunde und ihre Halter.

Die Hundeausbildung ist nicht nur ein zentraler Bestandteil der Jagd, sondern auch eine wichtige Maßnahme für den Tierschutz – auch bei Wildunfällen. Einschränkungen gefährden eine Arbeit, die Mensch und Tier gleichermaßen schützt.

Jagdgatter: Ausbildung und Artenschutz gefährdet

Jagdgatter sind nicht nur Orte für die Hundeausbildung, sondern tragen auch zur Erhaltung bedrohter Wildarten wie dem Muffelwild bei. Sie bieten kontrollierte Bedingungen, die sowohl den Tierschutz als auch die Artenerhaltung fördern. Die geplante Abschaffung neuer Jagdgatter und die Einschränkung bestehender Anlagen gefährden langfristig diese wertvolle Arbeit. Dabei stehen Jagdgatter unter strengen Kontrollen, die sicherstellen, dass sie tier- und naturschutzgerecht betrieben werden.

Baujagd: Mehr als nur Fuchsregulierung

Prädiertes Brachvogelei

Die Baujagd ist eine der effektivsten Methoden, um Füchse, Dachse und invasive Arten wie Marderhunde zu regulieren. Besonders der Marderhund, eine invasive Art, fällt unter die EU-Richtlinien zur Bekämpfung invasiver Arten und muss kontrolliert werden. Dachse nutzen ebenfalls Bauten, deren Überpopulation in Konflikt mit anderen Arten geraten kann.

Die geplante Abschaffung der Baujagd im Naturerdbau würde die Regulierung dieser Arten massiv erschweren. Zwar bleibt die Jagd im Kunstbau erlaubt, doch diese Methode allein reicht nicht aus. Die unkontrollierte Vermehrung von Beutegreifern gefährdet gefährdete Arten wie Wiesenvögel, Feldhamster und andere gefährdete Arten.

Nutria: Ein Beispiel für die Bedeutung der Jagd

Nutria-Familie in der Bockholter Dose (einem Hochmoor)

Die Nutria ist ein klassisches Beispiel für eine invasive Art, die durch die EU-Verordnung zur Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten reguliert werden muss. Ursprünglich aus Südamerika eingeführt, hat sich die Nutria in Niedersachsen und anderen Teilen Deutschlands stark verbreitet. Durch ihre ausgedehnte Grabtätigkeit gefährdet sie Deiche, Uferböschungen, wiedervernässte Moore und landwirtschaftliche Flächen – besonders in Hochwassergebieten.

Ihre unkontrollierte Vermehrung stellt ein erhebliches Risiko dar: Nutria können lokale Ökosysteme destabilisieren, indem sie Lebensräume heimischer Arten zerstören und Nahrungsressourcen übermäßig beanspruchen. Die Bejagung der Nutria ist daher essenziell und bleibt im Niedersächsischen Jagdgesetz glücklicherweise verankert.

Die Jagd ist die effizienteste und tierschutzgerechteste Methode, um Nutriabestände zu kontrollieren. Alternativen wie chemische Bekämpfung oder großflächige Lebendfallen sind nicht nur kostspielig und unpraktisch, sondern oft auch stressreicher für die Tiere und gefährden andere Arten durch unbeabsichtigte Nebenwirkungen.

Weitere invasive Arten, die unser Ökosystem belasten

Neben der Nutria bedrohen zahlreiche andere invasive Wild-Arten unsere heimischen Ökosysteme:

  1. Marderhund (Nyctereutes procyonoides): Der Marderhund stammt ursprünglich aus Ostasien und wurde im 20. Jahrhundert gezielt nach Europa eingeführt, um die Pelzproduktion zu fördern. Seitdem hat er sich in vielen Regionen etabliert und stellt eine Bedrohung für heimische Arten dar. Er ist eine invasive Art, die 2019 auf die EU-Liste gesetzt wurde. Besonders Bodenbrüter wie Wiesenvögel und Amphibienpopulationen sind gefährdet, da der Marderhund Gelege plündert und Amphibien wie Kröten und Frösche in großer Zahl frisst. Seine hohe Anpassungsfähigkeit und schnelle Vermehrung setzen lokale Ökosysteme unter Druck. Darüber hinaus trägt der Marderhund Krankheiten wie den Fuchsbandwurm und Tollwut, was ihn auch für die menschliche Gesundheit problematisch macht.
  2. Nilgans (Alopochen aegyptiacus): Die Nilgans stammt ursprünglich aus Afrika und wurde in Europa als Zier- und Parkvogel eingeführt. Sie ist seit 2017 auf der EU-Liste invasiver Arten, da sie durch aggressives Verhalten heimische Wasservögel wie Graugänse verdrängt. Obwohl sie keine größeren landwirtschaftlichen Schäden verursacht, stellt ihre Präsenz in empfindlichen Lebensräumen ein Problem dar, da sie Brutplätze beansprucht und lokale Arten unter Druck setzt. Ihre Regulierung ist vor allem aus Gründen des Artenschutzes notwendig.
  3. Waschbär (Procyon lotor): Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Waschbär wurde in Europa eingeführt und zählt seit 2016 zu den invasiven Arten der EU-Liste. Er ist ein opportunistischer Allesfresser, der in Siedlungen wirtschaftliche Schäden verursacht, etwa durch Zerstörung von Dächern und Isolierungen. In der freien Natur bedroht er insbesondere Amphibien wie die Gelbbauchunke und Erdkröte, da er Laichplätze plündert und erwachsene Tiere frisst. Zudem plündert der Waschbär Nistkästen und Gelege von Höhlenbrütern wie Meisen, Spechte oder Dohlen. Waschbären verdrängen kleinere Raubtiere wie Baummarder, da sie dieselben Lebensräume und Nahrungsquellen nutzen. Ihre hohe Vermehrungsrate macht sie zu einer anhaltenden Herausforderung für den Natur- und Artenschutz​.
  4. Vollständige EU-Liste des BfN.
Jagd als Teil des Naturschutzes

Die Regulierung invasiver Arten wie der Nutria zeigt, wie wichtig die Jagd für den Schutz unserer Umwelt ist. Diese und weitere gelistete invasiven Arten haben erhebliche Auswirkungen auf Ökosysteme und verursachen teilweise auch wirtschaftliche Schäden. Die EU-Verordnung zur Regulierung invasiver gebietsfremder Arten unterstreicht die Bedeutung einer gezielten Bekämpfung, die in vielen Fällen durch die Jagd effektiv und tierschutzgerecht erfolgen kann. Ohne effektive Maßnahmen würden sich invasive Arten unkontrolliert ausbreiten, heimische Tiere und Pflanzen verdrängen und ganze Ökosysteme destabilisieren. Jagd und Naturschutz gehen hier Hand in Hand, um Lebensräume zu bewahren und die Balance in der Natur zu erhalten.

Fallen und Meldepflicht: Bürokratie statt Effektivität

Totschlagfallen sind ein unverzichtbares Werkzeug zur Regulierung zum Beispiel von Steinmardern – besonders in befriedeten Bezirken, wo Schusswaffen verboten sind. Diese Fallen arbeiten tierschutzgerecht, indem sie schnell und schmerzlos töten und so unnötiges Leid verhindern. Ohne Totschlagfallen könnten Schäden an Fahrzeugen, Dächern, Dämmungen oder Kabeln stark zunehmen – ein Problem, das besonders Hausbesitzer und Mieter betrifft.

Alternative Methoden wie Lebendfallen sind oft weder praktikabel noch tierschutzfreundlich. Besonders in städtischen Gebieten fehlen häufig die Zugänge, um Tiere stressfrei und zeitnah aus Lebendfallen zu befreien. Tiere über längere Zeit in Fallen zu halten, bevor sie transportiert und erlöst werden, ist nicht nur aufwendig, sondern auch tierschutzwidrig.

Was viele nicht wissen: Für die Fangjagd benötigt ein Betreiber nicht nur einen Jagdschein, sondern auch einen speziellen Fallenschein. Dieser stellt sicher, dass alle Methoden tierschutzgerecht sind und verantwortungsvoll angewendet werden. Die Jagdpächter, denen die entsprechenden Flächen zugeteilt sind, stehen ohnehin unter strenger behördlicher Kontrolle.

Die geplante Verpflichtung, alle Fallenstandorte zu melden, bringt keine erkennbaren Vorteile für den Tierschutz. Stattdessen schafft sie neue bürokratische Hürden für ehrenamtliche Jäger, die bereits erhebliche Zeit und Mittel für Natur- und Tierschutz investieren. Bewährte Maßnahmen sollten unterstützt, nicht behindert werden – nur so können wir Tiere und Menschen gleichermaßen schützen.

Wald vor Wild: Warum die Balance entscheidend ist

Eine ausgewogene Beziehung zwischen Wildbestand und Wald ist essenziell, um das Ökosystem intakt zu halten. Wälder profitieren von Wildtieren: Durch ihre Bewegungen öffnen sie dichte Vegetation, schaffen Zugänge für andere Tiere und fördern die Verbreitung von Samen und Pflanzen. Diese natürlichen Prozesse bereichern die Artenvielfalt und unterstützen das Gleichgewicht in der Natur.

Pauschale Vorgaben zur Reduktion von Wildbeständen, wie sie im Rahmen der „Wald vor Wild“-Strategie diskutiert werden, gefährden jedoch diese Balance. Bereits heute zeigen einige Rotwildpopulationen in Deutschland Anzeichen genetischer Verarmung, da Überbejagung und isolierte Lebensräume sie unter Druck setzen. Eine weitere Einschränkung könnte langfristig nicht nur den Wildbestand, sondern auch die Biodiversität im Wald schädigen.

Statt flächendeckender Reduktionen braucht es regionale, wissenschaftlich fundierte Pläne. Diese können sowohl den Wald vor Wildverbiss schützen als auch eine gesunde Wildpopulation erhalten. So bleibt die natürliche Dynamik zwischen Wild und Wald erhalten – ein Gewinn für die Natur und alle, die auf ihre Vielfalt angewiesen sind.

Wolf im Jagdrecht: Konflikte entschärfen

Die geplante Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht wird oft missverstanden. Sie bedeutet nicht, dass der Wolf frei bejagt werden soll. Vielmehr schafft diese Regelung klare Zuständigkeiten für den Umgang mit Problemwölfen – ähnlich wie bei anderen geschützten Arten wie Wildkatzen oder Seehunden.

Das Jagdrecht erlaubt es, in begründeten Ausnahmefällen gezielt einzugreifen, ohne den Schutzstatus der Art zu beeinträchtigen. So bleibt der Wolf weiterhin streng geschützt, doch Konflikte, wie sie durch wiederholte Angriffe auf Nutztiere entstehen, können effektiv gelöst werden.

Besonders in Regionen mit hohen Wolfsdichten sind solche Regelungen wichtig, um ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Wolfs und den berechtigten Interessen der Weidetierhalter zu finden. Die Aufnahme ins Jagdrecht ist daher ein Schritt, der Mensch und Natur gleichermaßen zugutekommt, ohne den Artenschutz zu gefährden.

Warum das alle betrifft

Die geplanten Änderungen des Jagdgesetzes haben Auswirkungen, die über die Jägerschaft hinausgehen:

  • Mieter und Hausbesitzer Ohne Totschlagfallen könnten Schäden durch Steinmarder an Gebäuden und Fahrzeugen stark zunehmen.
  • Verkehrsteilnehmer: Gut ausgebildete Hunde retten verletzte Tiere bei Wildunfällen und minimieren Tierleid.
  • Weidetierhalter Die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht schafft klare Zuständigkeiten bei Konflikten mit Problemwölfen. Wald mit Wild, statt Wald vor Wild senkt den Druck auf Weidetiere.
  • Naturschützer Ohne Baujagd und Prädatorenmanagement stehen bedrohte Arten wie Wiesenvögel noch mehr unter Druck als eh schon.

Fazit: Gemeinsam für nachhaltigen Natur- und Tierschutz

Die geplanten Novelle des Niedersächsischen Jagdgesetzes ist in vielen Punkten gut gemeint, aber schlecht gemacht. Sie bringt nach der letzten Novelle 2023 keine echten Verbesserungen für Tier- oder Naturschutz. (aktuelle Fassung gültig ab 01.01.2024) Viele der Änderungen gefährden etablierte Maßnahmen, erschweren die Arbeit ehrenamtlicher Jäger, die bereits streng kontrolliert wird und schaffen neue Probleme. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Jagd weit mehr ist als Wildregulierung – sie schützt Lebensräume, Artenvielfalt und letztlich uns alle.

Ein offener Dialog zwischen Politik, Jägerschaft und Naturschutzverbänden ist dringend erforderlich, um praxistaugliche und tierschutzgerechte Lösungen zu entwickeln. Nur so können wir gemeinsam den Schutz von Tier und Natur sicherstellen.

Ein Kommentar

  • Stefan Frankenstein

    Eine lesenswerte und gute Darstellung zum Thema: „Jagd kontra neue Jagdgesetzgebung“.
    Nicht nur der jagdliche Laie wird verständlich und umfassend informiert, sondern jedem wird deutlich in welchem Kontext die Jagd mit Naturschutz und Arten-Gleichgewicht steht.

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