Wissenswertes

Rassebedingte Charaktereigenschaften von Hunden

Andreas Noll: Was die rassebedingten Charaktereigenschaften von Hunden betrifft so unterliegt deren Wertung in der Öffentlichkeit stets einem Wandel. Das Ergebnis sind extreme Meinungen welche aufeinander treffen und es dem Laien unmöglich machen einen klaren Überblick über die Fakten zu erhalten. Das eine Lager behauptet die Rassezugehörigkeit wäre völlig egal und es käme lediglich auf die Aufzucht an, dass andere Lager geht sogar soweit, die Gefährlichkeit eines Hundes von seiner Rassezugehörigkeit abhängig zu machen.

Die Folgen beider Meinungen sind dramatisch, können sie sogar dazu führen, dass ein nicht ausgelasteter Bordercollie den Besuch zusammentreibt oder ein gut sozialisierter American Staffordshire Terrier vor dem Gesetz als besonders gefährlich gilt. Um diese Frage der genetisch bedingten Verhaltensweisen von Hunden nachzuweisen, ist eine exakt gleiche Aufzucht der Versuchshunde verschiedenster Rassen unter Laborbedingungen erforderlich um die Auswirkungen von Aufzuchtunterschieden auszuschließen.

Seit mehreren Jahrzehnten gibt es verschiedenste Untersuchungen zu diesem Thema beginnend mit KONRAD LORENZ (1941) STEPHANITZ und WHITNEY (1947), JAMES (1950) , PAWLOW und PETROVA (1972), nahezu nahtlos weiterzuführen bis hin zu den Untersuchungen der jüngeren Vergangenheit wie die Studien von L. & B. HARTS (1985) oder der SCHWEDISCHEN GESELLSCHAFT FÜR GEBRAUCHSHUNDE (1997 – 2000) und den INSTITUT FÜR TIERGENETIK, ERNÄHRUNG UND HAUSTIERHALTUNG DER UNIVERSITÄT BERN (1978 – 2000).

Alle dieser Untersuchungen bestätigen ausnahmslos ein genetisch fixiertes rassetypisches Verhalten bezüglich allgemeiner Aktivität, Jagdverhalten, Erregbarkeit, Lauffreudigkeit, intraspezifischer Aggression, Dominanz, territorialem Verhalten und Verspieltheit. Ebenso belegen aber alle dieser Untersuchungen, dass diese genetische Disposition nur den Rahmen des Normverhaltens darstellt mit einer jeweils extremen Untergrenze und einer ebenso extremen Obergrenze des Zutagetretens dieser Verhaltensweise. In welchem Maße sie sich dann manifestiert hängt im wesentlichen von der Prägung und Sozialisation des einzelnen Hundes und der entsprechenden Verhaltensweise ab.

Hier ist sicherlich nicht nur die Prägung durch den neuen Besitzer gemeint. Wächst ein Welpe aus einer Leistungszucht mit gewisser genetischer Disposition für Jagdverhalten, bei einer Mutter auf welche ihm Jagdverhalten von Anfang an vorlebt, wird dieser Welpe trotz vorbildlichen Gegensteuerns des Besitzers ein stärkeres Jagdverhalten zeigen als ein Hund der diese Disposition nicht erlebte.

Wolf (C), Foto: Anika Börries

Halten wir also fest, dass es sowohl rassebedingte Charaktereigenschaften unter den Hunden gibt als auch, dass diese durch gezielte Förderung gemildert oder gefördert werden können. Gezielte Zucht kann Verhaltensweisen nur quantitativ, nicht qualitativ verändern. Das grundlegende Verhalten wird nicht manipuliert, sondern nur die Art und Weise, wie und wie intensiv es ausgelöst wird. Es ist unmöglich beispielsweise einem Hund das Jagdverhalten abzuzüchten. Es ist aber durchaus möglich dieses so stark zu mildern oder aufzusplitten, dass es statt zum Töten wie beim Wolf nur zum Hetzen, Hüten, Apportieren oder sonstigen Teilhandlungen des Jagdverhaltens kommt.

Es ist sogar soweit zu mildern, dass es bei einigen Hunden nur durch gezielte Förderung wieder zum Vorschein kommen kann. Alles sind Extremvarianten des Jagdverhaltens und bei allen Typen ist es vorhanden. WILLYS (1994) gibt den ererbbaren Anteil des Jagdverhaltens lediglich bei 10 – 30 % an.

Was sagt dies alles aber für die Praxis aus?

Ist es nun egal für welche Rasse man sich entscheidet oder kann man nach dem Aussehen kaufen?

Zwar ist jede genetisch fixierte Verhaltensweise bei Hunden innerhalb eines großen Rahmens beeinflussbar – vom Extremverhalten bis hin zum fast völligen Erliegen des Verhaltens aber dies bedeutet für beide Seiten viel Arbeit – oft mehr als man im Alltag leisten kann und will. Zeit die man besser, freudiger und effektiver nutzen könnte, wenn man einen Hund hielte dessen Grundeigenschaften einem eher entsprechen.

Wer körperlich aktiv ist und Spaß daran hat mit seinem Hund dauerhaft Sport zu treiben, ist sicherlich mit einem Hütehund, Schlittenhund oder Windhund beraten. Hat man an diesen Aktivitäten keinen Spaß würde eine alternative Auslastung des Hundes unverhältnismäßig viel Arbeit fordern und ihn vermutlich dennoch nicht völlig auslasten. Solche Leute währen vielleicht besser mit einem molossoiden Hund beraten dessen Erfüllung darin besteht von prominenter Stelle sein Reich zu überwachen. Hierin besteht aber auch eine große Gefahr der Einschätzung eines Hundes.

Trotz aller genetischen Disposition für eine Verhaltensweise wird das tatsächliche Verhalten durch die Erfahrung des einzelnen Tieres im Laufe seines Lebens beeinflusst. Man sollte daher immer das einzelne Tier als Individuum sehen.

Parson Russel Terrier „Knuth“

Bezüglich der Führbarkeit der Rassen sehen viele Forscher den Grad der Neotenität (Beibehaltung jugendlicher Verhaltensweisen) an. Grob gesagt bleiben unsere Haushunde immer in gewisser Weise Welpen. Sie werden von uns mit Nahrung versorgt und sind auch sonst in hohem Maße von uns abhängig. Hier gibt es aber große, rassebedingte Unterschiede im Grad der Verjugendlichung. Besonders jugendlich sind sicher die reinen Gesellschaftsrassen wie Chihuahua, Papillon, … während am anderen Ende die Rassen stehen welche seit Urzeiten Aufgaben wahrnehmen die im Vergleich mit Wölfen eher den erwachsenen Tieren vorbehalten sind und selbstständig arbeiten wie die Herdenschutzhunde oder bestimmte Terrier.

Es lohnt sich also sich vorher zu informieren welche Charaktereigenschaften und Anforderungen eine Rasse hat. Innerhalb der in Frage kommenden Rassen sollte man dann ein Individuum suchen welches im Temperament und Ausprägung dieser Eigenschaften einem selbst am ehesten entgegen kommt um für beide Seiten ein entspanntes Miteinander zu ermöglichen und gemeinsame Zeit nicht in ein umlenken unerwünschten Verhaltens zu investieren, sondern um den Hund mit seinen speziellen Eigenschaften abzuholen, wo er steht und darauf aufzubauen.

 

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